Sizilien ist keine normale Destination für Surftrips. Besonders nicht im Sommer. Trotzdem fand ich auf einem Trip mit der ganzen Familien nicht nur schöne Landschaften, Strände und Städte, sondern auch ein paar einsame Wellen im Mittelmeer.
Als Kind war ich eine zeitlang fast jeden Sommer eine oder zwei Wochen auf Sizilien. Mit meiner Mutter habe ich einen ganz normalen Strandurlaub verbracht. An der Ostküste der Insel, in dem kleinen Ort Taormina mit Blick auf den Ätna. Damals hatte ich noch keine Vorstellung vom Surfen im Mittelmeer. Ich habe zwar schon immer Wellen in meine Schulhefte gemalt und auch jedes Jahr wieder nach welchen Ausschau gehalten, aber nie welche gesehen oder ernsthaft daran geglaubt.
Acht oder zehn Jahre später, so genau weiß ich das nicht mehr, stand ich dann vor einer Rückkehr. Ich habe mittlerweile einen sizilianischen Stiefvater und zu einer Familienzusammenführung sollte es gemeinsam mit meinen Großeltern auf die größte aller Mittelmeerinseln gehen. Eine Woche, im Juni 2014, dieses Mal an die Südküste, in die Stadt Sciacca. Mittlerweile weiß ich mehr über Wellen im Mittelmeer und auch das genau diese Region einiges an Potenzial besitzt. Nicht unbedingt im Juni, eher im Winter, aber wenn sich in dieser Woche die Chance auf meine ersten Wellen im Mittelmeer ergeben sollte, dann würde ich sie zu nutzen wissen.
Also habe ich schon Wochen vorher Informationen im Netz gesammelt und trotz des Potenzials kaum etwas gefunden. Zwei kurze Berichte auf italienisch, aber keinen lokalen Surfshop oder Website von Locals aus Sciacca. Eine Woche vor Abflug checke ich dann den Forecast und tatsächlich, für Mitte nächster Woche kündigt sich etwas an. Für einen, maximal zwei Tage zweieinhalb Fuß bei neun Sekunden aus Süd und dazu leichter Nordwind. Nicht episch, aber absolut brauchbar. Ich packe also meinen alten Fish ein und werfe Ryanair die zusätzlichen 50 Euro in den Rachen.
Die ersten Tage besuchen wir die Familie, die in einem kleinen Dorf mit atemberaubendem Blick 1000 Meter über Sciacca lebt und lassen das Leben in einer sizilianischen Kleinstadt auf uns wirken. Sciacca, mit seinen 40 000 Einwohnern halb so groß wie Flensburg, vermittelt mir einen Eindruck als habe sich hier die letzten Jahrzehnte nicht viel verändert. Kaum ausländische Touristen, dafür eine einmalige Kulisse und jede Menge Leben.
Wir laufen über Märkte, besuchen Familienfeiern auf dem Land oder liegen einfach nur am Strand. Wellen habe ich in den ersten Tagen noch keine gesehen. Doch am vierten Tag werde ich langsam nervös, am Abend soll dieser Swell eintreffen. Also lege ich meiner Familie nahe, heute Abend doch nochmal zum Strand zu fahren. Mein Stiefvater hat eine Idee, er weiß einen Strand wo er als Kind immer Wellen gesehen hat. Und tatsächlich, kurz vor Sonnenuntergang kommen wir an den Strand und es laufen kleine Wellen über eine Sandbank. Nur maximal hüfthoch, aber das ist mir egal.
Am nächsten Tag bin ich schon früh auf und der Blick aus unserem Appartment lässt mich hoffen. Da ist Bewegung im Wasser. Isa und ich melden uns für den Rest des Tages ab und machen uns mit dem alten Fiat 500 der Familie auf die Suche. Zunächst an den Strand vom vorigen Abend, doch dort dann erstmal Enttäuschung. Flat und ich verstehe nicht warum.
Aber aufgeben will ich nicht und deshalb fahren wir weiter. Wir klappern alle Strände und Buchten in der Umgebung ab, finden aber nichts, obwohl man deutlich die Bewegung im Wasser sieht. Doch als wir zurück nach Sciacca hineinfahren, sehen wir schon auf Entfernung das Weißwasser der brechenden Wellen. Direkt am Stadtstrand, neben dem Hafen mit der Kulisse der alten Gebäude davor.
Es sieht nach Spaß aus, über einem Mix aus Sand und Steinen bricht eine Welle, etwas schnell vielleicht, aber deutlich größer als am Abend zuvor. Ich paddel raus und kann mir die Wellen aussuchen. Es ist großartig, das Wasser ist warm, türkis und so klar, dass man jeden vorbeischwimmenden Fisch erkennen kann.
Ich frage mich, warum ich hier eigentlich alleine im Wasser bin. Das hier ist der Stadtstrand, kein versteckter Spot und die meisten der 40 000 Einwohner können mich beim Surfen aus ihrem Wohnzimmerfenster beobachten. Wo gibt es denn sowas heute noch in Europa? Surft hier denn wirklich keiner? Oder ist es woanders einfach noch besser und die Locals sind dort? Die Familie kennt jedenfalls keine Surfer und hat hier auch noch keine gesehen. Ich bin dann einfach froh, dass ich gefunden habe, was ich mir erhofft hatte.
Es bleibt der letzte Tag mit Wellen in dieser Woche. Ich beschließe mein altes Board auf Sizilien zu lassen, bei der Familie, denn ich will wiederkommen. Im Winter, wenn die Wellen größer und konstanter sind. Vielleicht findet auch eine Nichte oder ein Neffe meines Stiefvaters das Board im Keller und probiert es irgendwann aus. Vielleicht hilft mein Board ihnen das selten genutzte Potenzial ihrer Küste zu entdecken und Spaß am Surfen zu finden. Ich denke, das würde mir gefallen.