Island – Im Winterbilderbuch

Ich hebe meine Hand und glaube fast, es berühren zu können. Das Schauspiel tanzender Lichter aus grün, lila und weiß über unseren Köpfen, zwischen uns wabernd, in Sekunden scheinbar vom Meer über uns hinweg und zurück über den dunklen Atlantik. Es ist bereits nach Mitternacht, unsere Zehen hatten sich endlich an die Wärme einer Bettdecke gewöhnt, als ich den Entschluss fasste noch einmal raus zu fahren. Bald nach Sonnenuntergang hatten wir sie bereits gesehen, doch es ist der Moment auf irgendeinem dunklen Feld, der das Bild dieses Abenteuers prägen wird.


Island, ganz oben auf der berühmten Liste, ein Traum, ein Spielplatz der Naturwunder und das vielleicht wirkliche kalte Hawaii Skandinaviens. Als wir den Flughafen und die Mietwagenverleiherinnen verlassen, die im Karnevalskostüm für nutzlose Zusatzversicherungen werben, erstreckt sich uns schon auf den ersten Metern nordischen Asphalts der Erlebnis-Overload. Ein Panorama aus schneebedecktem Fels, dem heißen Dampf versteckter Quellen und einem langen Sonnenuntergang.

Früh reiben wir uns den kalten Schlaf aus den Augen als die Sonne schon am nordisch klaren, blauen Himmel steht. Schnell wird klar, dass wer auf Island reist, langsam reist. Wenige Kilometer können Stunden dauern. Wenn nicht das arktische Klima bremst, ziehen uns immer neue Höhen auf der Wow-Skala aus dem Auto. Panorama, Wasserfall, Wasserfall, Panorama, dieses Licht, Quelle, Berge, Wasserfall, Felsen, Berge, Panorama.

Mehr und mehr grün, gelb, braun und schwarz schaut unter der weißen Decke hervor als wir uns dem südlichen Ende der nördlichen Insel nähern. Neben zehn Häusern erhebt sich markanter Fels aus schwarzem Sand mit Blick auf die endlose Weite gen Süden. Auch ausgebucht lässt es sich hier in Vik noch einsam sein. Einsame Rechte rollen auf komisch normalen Sand. Es ist das einzige Mal, dass ich mir mein Board herwünsche, bevor wir der Magie Islands goldener Stunden verfallen.

Islands Hauptstadt macht Mitteleuropäer zu Mittellosen, doch auch von außen sind schöne Cafes nur Beiwerk zur Skyline aus schneebedeckten Gipfeln. Doch wenn die meiste Schneepracht in den Straßen Reykjaviks liegt, ist auch Beiwerk wunderschön in klarster Kälte.

Aus Reykjavik folgen wir ausgetretenen Pfaden, um mit Bustouristen in Funktionskleidung zwischen Kontinenten vor Wasserfällen zu stehen und trotzdem die große Freiheit zu spüren. Hier ist selbst der Weg zu unbestreitbar spektakulären Geysiren schon mal das Ziel. Auf der Insel aus Eis braucht man sich um Wärme nicht zu sorgen, sodass wir auch mit Gewissen mal zu lange zu heiß baden.

In unseren letzten Stunden wächst der Swell mit jeder Minute und wir suche Orte um wiederzukommen. Auf Seeweg, mit Bus, um länger zu bleiben.